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Evangelischer Kirchenkreis Halle-Saalkreis

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'Mit den eigenen Abgründen ins Gespräch kommen.' - Gastbeitrag des Superintendenten Hans-Jürgen Kant in der Mitteldeutschen Zeitung zum Karfreitag

„O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn.“ Unerwartet füllt die Melodie des alten Chorals, der am Karfreitag in vielen Kirchen gesungen wird, den Saal des Neuen Theaters in Halle. Mitten in dem Stück „Einer flog über das Kuckucksnest“ wird mir dabei deutlich: Ja, das, was McMurphy und der Indianer Chief Bromden hier erleben, kann sich überall ereignen: Menschen werden gefoltert und sollen zum Schweigen gebracht werden, weil sie sich nach Freiheit sehnen, unangepasst ihren Weg gehen, Ordnungen in Frage stellen.

„O Haupt voll Blut und Wunden“. Eine gelungene dramaturgische Idee des Regisseurs! Er setzt das Leiden seiner Protagonisten in Beziehung zum Leiden Jesu Christi, dessen Leben am römischen Folterkreuz sein Ende gefunden hat. Der Mann aus Nazareth war den Mächtigen seiner Zeit zu unbequem geworden. Bewusst und souverän ist er seinen Weg gegangen, obwohl er wusste, dass er dafür sterben würde. So wird es in der Bibel erzählt. Und Paulus als früher Theologe gibt diesem Tod eine universale Bedeutung: „Es musste so kommen. Dieser Eine opfert sich, damit alle Menschen Leben und Heil gewinnen, damit das Unheil in der Welt und der Tod ein für allemal überwunden werden.“
Doch immer noch ist das Unheil in der Welt. Millionenfach wird Christus bis heute gekreuzigt: In der ermordeten bulgarischen Studentin Mariya hier in Halle, unter den Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken, überall, wo Gerechtigkeit verlacht und Menschen Opfer von Gewalt und Krieg werden. Aus ihren Gesichtern schaut mich in den Fernseh- und Zeitungsbildern der Gekreuzigte an. Er fragt: „Warum immer noch diese Missetaten und Grausamkeiten, die ich ertragen muss? Was ist mit euch los, dass es nicht ohne Gewalt geht?“

Der Karfreitag ist ein gesetzlicher Feiertag. Er bietet Raum, sich diesen Fragen zu stellen. Er gibt uns Zeit, das Leid um uns wahrzunehmen und mit den eigenen Abgründen ins Gespräch zu kommen. Dabei ragt Ostern längst in den Karfreitag hinein. Der Gekreuzigte ist nicht im Tod geblieben. Menschen können Nein sagen zur Gewalt, solidarisch an der Seite der Opfer ausharren und das Lied der Hoffnung gegen den Tod anstimmen.

(Hans-Jürgen Kant)

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